Schub

Durch die Anwendung des Impulssatzes in axialer Richtung kann der Schub eines Triebwerks ohne detaillierte Kenntnisse der Druck- und Wandschubspannungsverteilung auf den Triebwerksbauteilen hergeleitet werden. Zu diesem Zweck wird eine Kontrollfläche um das Triebwerk gelegt, deren vordere und laterale Fläche so weit von dem Triebwerk entfernt sind, dass man dort die ungestörte Anströmung mit der Geschwindigkeit \(v_{0}\) und dem Druck \(p_{0}\) annehmen kann, vgl. nachfolgende Abbildung. Die hintere Fläche wird an den Düsenaustritt gelegt. Hier kann mit einer Näherung erster Ordnung angenommen werden, dass auf der Austrittsfläche \(A_{e}\) eine homogene Verteilung der Geschwindigkeit \(v_{e}\) und des Drucks \(p_{e}\) vorliegt, wobei \(v_{e} > v_{0}\) und \(p_{e} \ne p_{0}\). Die Strömung außerhalb der Austrittsfläche \(A_{e}\) wird als verlustlos betrachtet, d.h. die Strömungsverluste auf der äußeren Gondelfläche und dem Pylon werden vernachlässigt, so dass dort wiederum die gleichen Bedingungen vorherrschen wie in der Anströmung, d.h. \(v_{0}\) und \(p_{0}\). Die Kontrollfläche wird ferner um alle festen Oberflächen gelegt, so dass die resultierende Kraft auf diesem festen Teil der Oberfläche gerade die gesuchte Schubkraft \(F\) ergibt. An der äußeren Schnittfläche der Kontrollfläche mit dem Pylon ergibt sich die entsprechende Stützkraft \(F_{r}\) (r=reaction), die vom Betrag dem Schub entspricht, jedoch in die entgegengesetzte Richtung orientiert ist.

Abb.: Kontrollfläche zur Anwendung des Impulssatzes, Lizenz: cc-by-nc-4.0

Der Impulssatz besagt, dass die Änderung des Impulses der Summe aller Kräfte entsprechen muss, was angewendet in x-Richtung wie folgt geschrieben werden kann:

\begin{equation}
\frac{dI}{dt} = \sum F
\label{eq:momentum_x_general}
\end{equation}

Die rechte Seite, d.h. die Summe der Kräfte ergibt sich zu:

\begin{equation}
\sum F = -\left ( p_{e} – p_{0} \right ) A_{e} + F
\label{eq:sumF}
\end{equation}

Die linke Seite läßt sich auf den freien Teilen der Kontrollfläche als Produkt aus dem jeweiligen Massenstrom \(\dot{m} = \rho v A\), der die entsprechende Teilfläche überquert und der jeweiligen Geschwindigkeitskomponente in x-Richtung berechnen (ausströmend positiv und einströmend negativ):

\begin{equation}
\frac{dI}{dt} = \dot{m}_{e} v_{e} + \dot{m}_{s} v_{0} + \rho_{0} v_{0} \left ( A – A_{e} \right ) v_{0} – \dot{m}_{i} v_{0} – \rho_{0} v_{0} \left ( A – A_{i} \right ) v_{0}
\label{eq:dIdt}
\end{equation}

Der seitlich überlaufende Massenstrom \(\dot{m}_{s}\) (s=spill) ergibt sich aus der Massenstrombilanz für den stationären Fall:

\begin{equation}
\rho_{e} v_{e} A_{e} + \rho_{0} v_{0} \left ( A – A_{e} \right ) + \dot{m}_{s} – \dot{m}_{f} – \rho_{0} v_{0} A
\label{eq:mass_balance}
\end{equation}

\begin{equation}
\dot{m}_{s} = \dot{m}_{f} + \rho_{0} v_{0} A_{e} – \rho_{e} v_{e} A_{e}
\label{eq:mass_balance2}
\end{equation}

Diese Gleichung läßt sich unter Ausnutzung folgender Beziehung

\begin{equation}
\dot{m}_{e} = \dot{m}_{i} + \dot{m}_{f}
\label{eq:exit_mass_flow}
\end{equation}

bzw. des daraus abgeleiteten Treibstoffmassenstroms \(\dot{m}_{f}\) (f=fuel)

\begin{equation}
\dot{m}_{f} = \rho_{e} v_{e} A_{e} – \rho_{0} v_{0} A_{i}
\label{eq:fuel_mass_flow}
\end{equation}

vereinfachen zu:

\begin{equation}
\dot{m}_{s} = \rho_{0} v_{0} \left ( A_{e} – A_{i}\right )
\label{eq:spill_mass_flow}
\end{equation}

Einsetzen dieser Gleichung in Gl. \eqref{eq:dIdt} ergibt:

\begin{equation}
\frac{dI}{dt} = \dot{m}_{e} v_{e} – \dot{m}_{i} v_{0}
\label{eq:dIdt2}
\end{equation}

Da nun sowohl die linke Seite Gl. \eqref{eq:dIdt2} als auch die rechte Seite Gl. \eqref{eq:sumF} vorliegen, kann der Impulssatz nach dem unbekannten Schub \(F\) aufgelöst werden:

\begin{equation}
F = \dot{m}_{e} v_{e} – \dot{m}_{i} v_{0} + \left ( p_{e} – p_{0} \right ) A_{e}
\label{eq:thrust_general}
\end{equation}

Durch die Einführung des Treibstoffverhältnisses \(f\)

\begin{equation}
f = \frac{\dot{m}_{f}}{\dot{m}_{i}}
\label{eq:fuel_ratio}
\end{equation}

ergibt sich daraus:

\begin{equation}
F = \dot{m}_{i} \left [ \left ( 1 + f \right ) v_{e} – v_{0} \right ] + \left ( p_{e} – p_{0} \right ) A_{e}
\label{eq:thrust_general2}
\end{equation}

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass dieses Resultat die innere Kraft aus der Durchströmung des Triebwerks enthält, abzüglich der äußeren Kräfte and der Außenseite der Gondel und am Pylon. Es handelt sich also um den installierten Schub bzw. Nettoschub.

Ferner gilt, dass diese Gleichung sich auf zwei bzw. mehrere Massenströme anwenden läßt, z.B. bei einem Turbofan, indem der Kernstrom und der Nebenstrom separat betrachtet werden und die entsprechenden Schubkräfte zu einer Resultierenden aufaddiert werden.

Um eine erste Interpretation der Schubgleichung zu ermöglichen, werden folgende zwei vereinfachenden Annahmen getroffen:

  • Der Treibstoffmassenstrom ist viel kleiner als der einströmende Massenstrom: \(\dot{m}_{f} \ll \dot{m}_{i}\) bzw. \(f \ll 1\). Dann ist \(\dot{m}_{e} \approx \dot{m}_{i} = \dot{m}\)
  • Es handelt sich um eine angepasste Schubdüse: \(p_{e} = p_{0}\), d.h. der Beitrag der Druckkraft verschwindet \(\left ( p_{e} – p_{0} \right ) A_{e} = 0\). Dieser Zustand wird beim Entwurf von Triebwerken angestrebt, da der austretende Strahl dann keinen Über- oder Unterdruck aufweist und demnach keine Nachexpansion oder Einschnürung stattfindet und entsprechende Energieverluste vermieden werden.

Dann ergibt sich die vereinfachte Schubgleichung zu:

\begin{equation}
F = \dot{m} \left ( v_{e} – v_{0} \right )
\label{eq:thrust_simplified}
\end{equation}

Demnach gibt es folgende zwei Maßnahmen zur Schubsteigerung:

  1. Erhöhung des Massenstroms \(\dot{m}\)
  2. Erhöhung der Geschwindigkeitsdifferenz \(\left ( v_{e} – v_{0} \right )\), was gleichbedeutend mit der Erhöhung der Strahlbeschleunigung ist

Der Schub hängt linear von beiden Maßnahmen ab, d.h. beide Maßnahmen sind gleichwertig hinsichtlich der Schubsteigerung. Es sei aber darauf hingewiesen, dass sich dieses Ergebnis außschließlich auf die Schubsteigerung bezieht. Betrachtet man zusätzlich den Vortriebswirkungsgrad, stellt sich heraus, dass nur eine der beiden Maßnahmen zur Steigerung des Wirkungsgrades geeignet ist.

Dimensionsloser Schub

Für manche Untersuchungen ist es von Vorteil, den Schub als eine dimensionslose Größe zu betrachten. Zu diesem Zweck wird eine geeignete Bezugsgröße benötigt, die ebenfalls Newton als Einheit hat. Es bietet sich an, das Produkt aus dem eingesaugten Massenstrom \(\dot{m}_{i}\) und der Schallgeschwindigkeit stromauf des Triebwerks \(a_{0}\) zu verwenden:

\begin{equation}
\frac{F}{\dot{m}_{i} a_{0}}
\label{eq:thrust_dimless}
\end{equation}

Beim Turbojet und Ramjet ist der eingesaugte Massenstrom \(\dot{m}_{i}\) eindeutig, beim Turbofan wird i.d.R. nur der eingesaugte Kernmassenstrom \(\dot{m}_{i,cr}\) verwendet (Index \(cr\) – core).