Es gibt eine Reihe von Aspekten, die in realen Triebwerken relevant sind und in entsprechenden Kreisprozessbetrachtungen berücksichtigt werden müssen:
- Strömungsverluste:
- Viskose Verluste (Reibung)
- Evtl. thermische Verluste (Wärmezufuhr)
- Evtl. St0ßverluste (senkrechte und schräge Verdichtungsstöße)
- Temperaturabhängigkeit der Stoffgrößen
- Nicht-angepasste Düsenströmung
- Unvollständige Verbrennung
- Zusammensetzung des Arbeitsmediums
- Nicht-adiabate (=diabate) Systemgrenzen
- Zapfluft
- Turbinenkühlung
- Mechanische Verluste, insbesondere bei der Kraftübertragung zwischen Turbine und Verdichter (Lagerreibung)
- …
Diese Aspekte sind in verschiedenen Triebwerkstypen und Komponenten in unterschiedlichem Maße ausgeprägt.
Strömungsverluste
Die Viskosität (oder Zähigkeit) ist eine Stoffgröße, die in allen strömenden Fluiden zur Dissipation führt, d.h. zur Umwandlung der makroskopischen, geordneten Bewegung (i.d.R. kinetischen Energie) in mikroskopische, chaotische Bewegung (innere Energie). Obwohl es sich um eine Energiewandlung und nicht um einen Energieverlust handelt (es würde sonst gegen den 1. Hauptsatz der Thermodynamik verstoßen), ist es üblich, von Strömungs“verlusten“ zu sprechen, da die innere Energie überhaupt nicht bzw. nur zu einem geringen Teil in technischen Vorgängen benutzt werden kann.
Während die viskosen Verluste in allen Triebwerkskomponenten vorhanden sind, sind die thermischen Verluste (Totaldruckverlust bei der Wärmezufuhr, nicht zu verwechseln mit viskosen Verlusten) nur in der Brennkammer und im Nachbrenner vorhanden. Darüber hinaus sind Stoßverluste in Komponenten vorhanden, in denen es Bereiche mit Überschallströmung gibt. In der Regel sind das der Verdichter und die Turbine, da sich dort die Axialgeschwindigkeit mit der Drallgeschwindigkeit (in Umfangsrichtung) vektoriell addiert und dadurch größer als die Schallgeschwindigkeit wird.
Temperaturabhängigkeit der Stoffgrößen
Die isobare Wärmekapazität zeigt eine große Abhängigkeit von der Temperatur:
\begin{equation}
c_{p} = f(T)
\label{eq:cp_funct}
\end{equation}
Darüber hinaus gibt es auch eine Abhängigkeit der Wärmekapazität vom Druck, da diese aber in Triebwerksanwendungen recht klein ist, wird darauf nicht weiter eingegangen.
Betrachtet man die Temperaturabhängigkeit, so erhöht sich z.B. \(c_{p}\) der Luft um über 20% bei einer Temperaturerhöhung von 0 auf 1600°C, also in einem für Flugantriebe typischen Temperaturfenster. Diese Änderung wird dadurch berücksichtigt, dass entsprechende Zustandsänderungen mit einem sogenannten Mittelwert (kein arithmetisches Mittel) berechnet werden:
\begin{equation}
\left . c_{pm} \right |_{T1}^{T2} = \frac{\int_{T1}^{T2} c_{p}(T) \, dT}{T_{2} – T_{1}}
\label{eq:cpm_def}
\end{equation}
Die isochore spezifische Wärmekapazität berechnet sich aus:
\begin{equation}
c_{v} = c_{p}(T) – R_{i} = f(T)
\label{eq:cv_funct}
\end{equation}
\begin{equation}
\left . c_{vm} \right |_{T1}^{T2} = \frac{\int_{T1}^{T2} c_{v}(T) \, dT}{T_{2} – T_{1}} = \left . c_{pm} \right |_{T1}^{T2} – R_{i} = f(T)
\label{eq:cvm_def}
\end{equation}
Der Quotient aus beiden Wärmekapazitäten wird Isentropenexponent \(\gamma\) genannt. Dieser ist folgerichtig auch von der Temperatur abhängig:
\begin{equation}
\gamma (T) = \frac{c_{p}(T)}{c_{v}(T)} = f(T)
\label{eq:gamma_funct}
\end{equation}
\begin{equation}
\left . \gamma_{m} \right |_{T1}^{T2} = \frac{\left . c_{pm} \right |_{T1}^{T2}}{\left . c_{vm} \right |_{T1}^{T2}} = f(T)
\label{eq:gammam_def}
\end{equation}
Auf Basis der Temperaturänderung in jeder Komponente können entsprechende Mittelwerte angegeben werden. Nachfolgende Tabelle gibt die typischen Werte des Isentropenexponenten an (Anmerkung: Ab der Brennkammer ändert sich die Zusammensetzung des Arbeitsmediums, was auch einen Einfluss auf die Stoffgrößen hat).
Komponente | Mittlerer Isentropenexponent \(\gamma\) |
Einlauf | 1,40 |
Verdichter | 1,37 |
Brennkammer | 1,35 |
Turbine | 1,33 |
Düse | 1,36 |
Eine weitere Stoffgröße, die von der Temperatur abhängt, ist die Viskosität. Da deren Einfluss auf die Kreisprozessbetrachtungen sehr klein ist, wird an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen.
Nicht-angepasste Düsenströmung
Das Triebwerk liefert am Düseneintritt einen hohen Druck, der durch geeignete Gestaltung des Düsenquerschnitts auf den Umgebungsdruck abgebaut wird. Die entsprechenden Querschnitte sind jedoch von den Flugbedingungen und Triebwerkseinstellungen abhängig, so dass jeder Betriebspunkt einen anderen Düsenquerschnitt und somit variable Düsengeometrien erfordert , vgl. Abschnitt „Schubdüse„. In der zivilen Luftfahrt wird jedoch i.d.R. auf variable Düsengeometrien und auf den divergenten Teil der Düse verzichtet, so dass der Austrittsdruck höher als der Umgebungsdruck ist. Das führt zu einem höheren Verbrauch.
Verbrennung
Da die Verbrennung ein sehr komplexer Prozess ist, wird nicht die gesamte Energie, die im Treibstoff enthalten ist, freigesetzt und dem Arbeitsmedium zugeführt. Darüber hinaus ändert sich die Zusammensetzung des Arbeitsmediums, da bei der Verbrennung in erheblichem Maße Wasserdampf und Kohlendioxid (sowie einige andere Stoffe in kleineren Mengen) entstehen. Die veränderte Zusammensetzung wird in der Regel durch Anpassung der Wärmekapazität und des Isentropenexponenten erfasst.
Nicht-adiabate Systemgrenzen
Die Aufheizung des Arbeitsmediums führt dazu, dass sich die Triebwerkskomponenten erwärmen, so dass es zu „Wärmeleckagen“ kommt, insbesondere über das Gehäuse. Es handelt sich hierbei um einen schädlichen Vorgang, da die entsprechende Energie aus dem System herausgetragen wird und nicht mehr zur Schuberzeugung zur Verfügung steht.
Zapfluft
Die Zapfluft wird aus dem Verdichter entnommen, um Kühlluft für die Turbine und Atemluft für die Passagierkabine zur Verfügung zu stellen. Insgesamt kann der entnommene Massenstrom bis zu 20% des Kernmassenstroms betragen. Das ist ein schädlicher Vorgang für den Kreisprozess, da die Verdichterluft zuvor mit großem Energieaufwand komprimiert wurde. Da die Kabinenluft dem Prozess überhaupt nicht mehr zurückgeführt wird, ist diese schädlicher als die Kühlluft. Um die Performanceeinbußen so gering wie möglich zu halten, wird die Zapfluft bedarfsgercht entnommen, d.h. an 2 oder 3 verschiedenen Stellen im Verdichter.
Turbinenkühlung
Die maximalen Kreisprozesstemperaturen liegen weit über dem Schmelzpunkt von Turbinenmaterialien, so dass leistungsfähige Kühlungsmethoden benötigt werden. Der erhöhte Kühlmassenstrombedarf führt jedoch insgesamt zu einem größeren Massenstrom und somit zu größeren Triebwerksdimensionen.
Mechanische Verluste
Diese Verluste sind in den rotierenden Komponenten Verdichter und Turbine vorhanden. Die Leistungsübertragung zwischen den beiden Komponenten erfolgt über eine Welle, die gelagert werden muss und einen geringen Teil der übertragenen Arbeit dissipiert. Entsprechend muss das Lageröl gekühlt werden und die Turbine muss etwas mehr Arbeit entnehmen, als der Verdichter benötigt.