Grundlagen der Thermodynamik

Thermodynamische Systeme

Thermodynamische Betrachtungen beginnen mit der Wahl folgender Elemente:

  • System:
    • Kann aus einem oder mehreren Stoff/en oder Körper/n bestehen
    • Kann ruhend oder beweglich sein
    • Kann Arbeit \(W\), Wärme \(Q\) und Masse \(m\) über die Systemgrenze mit der Umgebung austauschen
  • Systemgrenze:
    • Kann reale oder gedachte Berandung sein
  • Umgebung:
    • Außerhalb der Systemgrenzen
    • Wird i.d.R. als konstant angenommen, obwohl Wärme und Arbeit mit dem betrachteten System ausgetauscht werden

Klassifizierung nach Energie- und Massenaustausch mit der Umgebung:

Abb.: Thermodynamische Systeme, Lizenz: cc-by-nc-4.0

Weitere Klassifizierungen:

  • Wärmeisoliert (adiabat, z.B. isolierte Turbine) vs. wärmedurchlässig (diatherm, z.B. Luftkühler)
  • Arbeitsisoliert (beheiztes Rohr) vs. arbeitsaustauschend (Kolbenmotor)

Thermodynamische Größen

Zustandsgrößen

  • Charakterisieren die physikalischen Eigenschaften eines Systems
  • Sind wegunabhängig, d.h. es spielt keine Rolle, auf welchem Wege der Wert dieser Zustandsgröße erreicht wurde (z.B. kann eine bestimmte Temperatur sowohl durch das Erwärmen als auch durch das Abkühlen erreicht worden sein)

Unterteilung in zwei Klassen:

  • Intensive Zustandsgrößen:
    • Behalten ihren Wert bei Teilung des Systems bei
    • Druck \(p\), Temperatur \(T\)
  • Extensive Zustandsgrößen:
    • Ändern ihren Wert bei Teilung des Systems, d.h. sind proportional zu der Systemmasse
    • Volumen \(V\), Energie \(E\) (kinetische, potenzielle und innere), Enthalpie \(H\), Entropie \(S\)

Prozessgrößen

  • Sind nur im Zusammenhang mit einer Zustandsänderung sinnvoll
  • Keine Eigenschaft des Systems, sondern des Austauschprozesses mit der Umgebung
  • Mit Beendigung des Austauschprozesses verschwindet die Prozessgröße
  • Nach dem Austauschprozess bleibt eine Energieänderung im System zurück
  • Wegabhängig
  • 2 Prozessgrößen:
    • Arbeit \(W\)
    • Wärme \(Q\)
  • Prozessgrößen werden auch Energieformen genannt, sind jedoch nicht zu verwechseln mit der Zustandsgröße Energie und deren Bestandteilen
  • Konvention:
    • Positiv, wenn sie dem System zugeführt werden
    • Negativ, wenn sie aus dem System abgeführt werden
Abb.: Wärme im T-S-Diagramm, Volumenänderungsarbeit und reversible technische Arbeit im p-V-Diagramm, Lizenz: cc-by-nc-4.0

Wärme:

\begin{equation}
Q_{12} = \int_{1}^{2} T \, dS
\label{eq:waerme}
\end{equation}

Volumenänderungsarbeit:

\begin{equation}
W_{v12} = -\int_{1}^{2} p \, dV
\label{eq:arbeit_vol}
\end{equation}

Reversible technische Arbeit:

\begin{equation}
W_{t12}^{rev} = \int_{1}^{2} V \, dp
\label{eq:arbeit_techn_rev}
\end{equation}

Spezifische Größen

  • Können aus extensiven Zustandsgrößen und Prozessgrößen abgeleitet werden, indem die Größe durch die Systemmasse geteilt wird
  • Verhalten sich ähnlich wie die intensiven Zustandsgrößen, d.h. sind unabhängig von der Systemmasse
  • Kleinbuchstabe als Formelzeichen (im Unterschied zu den Großbuchstaben bei extensiven Zustandsgrößen und Prozessgrößen)
  • Beispiele:
    • Spezifisches Volumen \(v = \frac{V}{m}\)
    • Spezifische Enthalpie \(h = \frac{H}{m}\)
    • Spezifische Arbeit \(w = \frac{W}{m}\)
    • Spezifische Wärme \(q = \frac{Q}{m}\)

Strömungsvorgänge

Zustandsgleichungen

Zustandsgleichungen liefern eine mathematische Beschreibung der Abhängigkeiten verschiedener Größen untereinander

Thermische Zustandsgleichung:

  • Beschreibt die Abhängigkeit des Drucks von der Temperatur und dem Volumen:
    \begin{equation}p = p (T, V)\end{equation}
  • Sie erhielt ihren Namen, weil mit ihrer Hilfe leicht die Temperatur bestimmt werden konnte
  • Für ideales Gas mit der Gaskonstante \(R_{i}\):
    \begin{equation} p = \rho R_{i} T = \frac{m}{V} R_{i} T \label{eq:therm_zg_ideal}\end{equation}
  • Für die vollständige Beschreibung des Zustands werden nur zwei intensive bzw. eine intensive und eine spezifische Größe benötigt. Die dritte Größe ergibt sich aus der thermischen Zustandsgleichung, alle weiteren Größen aus weiteren thermodynamischen Beziehungen.

Kalorische Zustandsgleichung:

  • Beschreibt die Abhängigkeit der inneren Energie von der Temperatur und dem Volumen:
    \begin{equation}U=U(T, V)\end{equation}
  • Für ideales Gas mit der isochoren und der isobaren spezifischen Wärmekapazität \(c_{v}\) und \(c_{p}\):
    \begin{equation} du = c_{v} \, dT \qquad dh = c_{p} \, dT\label{eq:kal_zg_ideal}\end{equation}

Anmerkungen:

  • In der englischsprachigen Literatur ist die Einteilung in thermische und kalorische Zustandsgleichung nicht üblich
  • Beide Gleichungen sind über folgende Relation voneinander abhängig:
    \begin{equation}\left ( \frac{\partial U}{\partial V} \right )_{T} = T \left ( \frac{\partial p}{\partial T} \right )_{V} – p\label{eq:therm_kal_abh}\end{equation}
  • Sie lassen sich aus der Gibbs‘schen Fundamentalgleichung ableiten, die den Zustand eines Systems allein beschreiben kann:
    \begin{equation}dU = T \, ds – p \, dV\label{eq:gibbs_fundamentalgleichung}\end{equation}
  • In der Regel ist die Beschreibung durch die beiden Zustandsgleichungen einfacher

Zustandsänderungen

  • Isobar, \( p = const.\)
  • Isochor, \( V = const.\)
  • Isotherm, \( T = const.\)
  • Isentrop (adiabat reversibel), \( S = const.\)
  • Polytrop, keine Größe ist konstant
Abb.: p-V- und T-S-Diagramm verschiedener Zustandsänderungen, Lizenz: cc-by-nc-4.0

Interpretationen aus dem Verlauf der Größen:

  • Isochore verläuft steiler als die isobare Zustandsänderung im T-S-Diagramm, d.h. es gibt eine größere Temperaturänderung bei gleicher Entropiezunahme bzw. kleinere Entropiezunahme bei gleicher Temperaturänderung. Das ist ein Vorteil für die isochore Zustandsänderung, da in technischen Kreisprozessen die erzeugte Entropie herausgeschafft werden muss und deswegen minimiert werden sollte.
  • Isentrope verläuft steiler als die isotherme Zustandsänderung im p-V-Diagramm, d.h. es gibt eine größere Druckänderung bei gleicher Volumenänderung

Hauptsätze der Thermodynamik

0. Hauptsatz: Für jedes thermodynamische System existiert eine Zustandsgröße, die Temperatur genannt wird. Ihre Gleichheit ist notwendige Voraussetzung für das thermische Gleichgewicht zweier Systeme oder zweier Teile des gleichen Systems.

1. Hauptsatz: Es existiert eine extensive Zustandsgröße \(E\), die Energie eines Systems. Sie ist für ein abgeschlossenes System konstant.
(Perpetuum mobile erster Art ist in einem abgeschlossenen System nicht möglich.)

2. Hauptsatz: Jedes thermodynamische System besitzt eine Zustandsgröße Entropie \(S\), die bei einer irreversiblen Zustandsänderung zunimmt. Bei reversiblen Zustandsänderungen wird die Entropie berechnet, indem die zugeführte Wärmemenge \(𝜕𝑄_{𝑟𝑒𝑣}\) durch die bei diesem Vorgang vorherrschende absolute Temperatur \(T\) geteilt wird. Bei irreversiblen Zustandsänderungen wird infolge der Energiedissipation eine positive Entropieproduktion im Inneren des Systems hervorgerufen.
(Perpetuum mobile zweiter Art, d.h. mit Entropieabnahme, ist nicht möglich.)

3. Hauptsatz (Nernst‘sches Wärmetheorem): Befindet sich ein thermodynamisches System am absoluten Nullpunkt der Temperatur (\(𝑇 = 0 𝐾\)) im thermodynamischen Gleichgewichtszustand, so besitzt die zu diesem Zustand gehörige Entropie einen festen Wert \(𝑆_{0}\), der unabhängig ist vom Volumen, Druck, Zustand, Material, usw. des Systems.

Energiebilanz

Geschlossenes System

\begin{equation}
Q_{12}+W_{12} = E_{2} – E_{1}
\label{eq:energiebilanz_geschl}
\end{equation}

mit Volumenänderungsarbeit, Wellenarbeit, elektrischer Arbeit und Dissipationsarbeit:

\begin{equation}
W_{12} = W_{v12} + W_{w12} + W_{el12} + W_{diss12}
\label{eq:arbeiten}
\end{equation}

  • Dissipationsarbeit \(W_{diss12}\) ist immer positiv
  • Energie \(E\) enthält innere, kinetische, potenzielle und ggf. weitere Energien

Ist nur innere Energie \(U\) von Interesse, gilt:

\begin{equation}
Q_{12} + W_{12} = U_{2} – U_{1}
\label{eq:energiebilanz_geschl_innEn}
\end{equation}

Bezogen auf die Systemmasse:

\begin{equation}
q_{12} + w_{12} = u_{2} – u_{1}
\label{eq:energiebilanz_geschl_innEn_spez}
\end{equation}

Leistungsbilanz (Ableiten nach der Zeit \(t\)):

\begin{equation}
\frac{dQ_{12}}{dt}+\frac{dW_{12}}{dt} = \frac{dE}{dt}
\label{eq:leistungsbilanz_geschl1}
\end{equation}

\begin{equation}
\dot{Q}_{12}+P_{12} = \frac{dE}{dt}
\label{eq:leistungsbilanz_geschl2}
\end{equation}

Stationärer Prozess:

\begin{equation}
\frac{dE}{dt} = 0 \qquad \rightarrow \qquad \dot{Q}_{12}+P_{12} = 0
\label{eq:leistungsbilanz_geschl_stationaer}
\end{equation}

Offenes System

Abb.: Energiebilanz in einem offenem System, Lizenz: cc-by-nc-4.0

Energiebilanz:

\begin{equation}
Q_{12}+W_{t12} = H_{2} – H_{1} + \underbrace{\frac{m}{2} \left ( v_{2}^{2} – v_{1}^{2} \right )}_{\Delta E_{kin}} + \underbrace{m g \left ( z_{2} – z_{1} \right )}_{\Delta E_{pot}}
\label{eq:energiebilanz_offen}
\end{equation}

Mit der technischen Arbeit \(W_{t12}\):

  • Kann dem System über die Grenze des Kontrollvolumens mit technischen Mitteln hinzugefügt oder abgeführt werden
  • Besteht aus einem reversiblen Anteil  \(W_{t12}^{rev}\)  (Wellenarbeit oder elektrische Arbeit) und der Dissipationsenergie \(W_{diss12}\): \begin{equation} W_{t12} = W_{t12}^{rev} + W_{diss12} \label{eq:arbeit_techn} \end{equation}

Bezogen auf die Systemmasse:

\begin{equation}
q_{12}+w_{t12} = h_{2} – h_{1} + \frac{1}{2} \left ( v_{2}^{2} – v_{1}^{2} \right ) + g \left ( z_{2} – z_{1} \right )
\label{eq:energiebilanz_offen2}
\end{equation}

Einführung der Totalenthalpie bzw. Gesamtenthalpie \(H_{t}\) (enthält auch \(E_{kin}\)):

\begin{equation}
H_{t} = H+\frac{m}{2} v^{2} \qquad h_{t} = h+\frac{1}{2} v^{2}
\label{eq:totalenthalpie}
\end{equation}

führt auf:

\begin{equation}
Q_{12}+W_{t12} = H_{t2} – H_{t1} + m g \left ( z_{2} – z_{1} \right )
\label{eq:energiebilanz_offen3}
\end{equation}

\begin{equation}
q_{12}+w_{t12} = h_{t2} – h_{t1} + g \left ( z_{2} – z_{1} \right )
\label{eq:energiebilanz_offen4}
\end{equation}

Leistungsbilanz:

\begin{equation}
\dot{Q}_{12}+P_{12} = \dot{m} \left [ h_{2} – h_{1} + \frac{1}{2} \left ( v_{2}^{2} – v_{1}^{2} \right ) + g \left ( z_{2} – z_{1} \right ) \right ]
\label{eq:leistungsbilanz_offen}
\end{equation}

Ferner:

\begin{equation}
P_{12} = \dot{m} \, w_{t12}
\label{eq:leistung_spez_arbeit}
\end{equation}

Kreisprozesse

  • Wird in einer Abfolge von Zustandsänderungen oder Prozessen der ursprüngliche Zustand erreicht, spricht man vom Kreisprozess.
  • Möglich für geschlossene und offene Systeme
  • Die eingeschlossene Fläche im \(p-\)\(V\)- bzw. im \(T\)-\(S\)-Diagramm entspricht dem Betrag der Kreisprozessarbeit \(W_c\) (c=cycle).

Einteilung der Maschinen

Kraftmaschinen:

  • Umwandlung von Wärme und/oder kinetischer Energie in Arbeit
  • → Wärmekraftmaschine, Verbrennungskraftmaschine
  • Arbeit wird abgegeben: \(W_{c}<0\)
  • Drehrichtung: rechtslaufend (im Uhrzeigersinn)

Arbeitsmaschinen:

  • Arbeitszufuhr zur Änderung des thermodynamischen Zustandes
  • → Kältemaschine, Wärmepumpe
  • Arbeit wird zugeführt: \(W_{c}>0\)
  • Drehrichtung: linkslaufend (gegen den Uhrzeigersinn)
Abb.: Rechtslaufende und linkslaufende Kreisprozesse, Lizenz: cc-by-nc-4.0

Vergleichsprozesse:

  • Idealisierung: Reale Prozesse werden durch möglichst ähnliche ideale Prozesse dargestellt
  • Dissipation wird vernachlässigt (werden deswegen auch „reversible“ oder „ideale“ Kreisprozesse genannt)

Einige Beispiele:

  • Otto-Prozess (Benzin-Motor)
  • Diesel-Prozess (Diesel-Motor)
  • Joule-(Bryton-)Prozess (Gasturbine, Flugtriebwerke)
  • Carnot-Prozess (bestmöglicher Wirkungsgrad)
  • Evans-Perkins-Prozess (Kühlschrank)
  • Clausius-Rankine-Prozess (Dampfkraftprozess)
  • Seiliger-Prozess
  • Stirling-Prozess
  • Ericsson-Prozess

Carnot-Prozess

Carnot-Prozess besteht aus zwei isentropen und zwei isothermen Zustandsänderungen.

Abb.: Carnot-Prozess im p-V- und T-S-Diagramm, Lizenz: cc-by-nc-4.0

Kreisprozessarbeit:

\begin{equation}
W_{c} = -\left ( Q_{12} + Q_{34} \right ) = m \, R_{i} \left ( T_{3} + T_{1} \right ) \ln \left ( \frac{p_{1}}{p_{2}} \right )
\label{eq:wc_carnot}
\end{equation}

Thermischer Wirkungsgrad:

\begin{equation}
\eta_{th} = \eta_{C} = \frac{\left | W_{c} \right |}{Q_{add}} = 1 – \frac{T_{3}}{T_{1}} = 1 – \frac{T_{min}}{T_{max}}
\label{eq:eta_th_carnot}
\end{equation}

  • Bestmöglicher Prozess für Umwandlung der Wärme in Arbeit, daher wird er häufig als Referenz-Prozess herangezogen.
  • Carnot-Faktor \(\eta_{C}\) stellt den bestmöglichen Wirkungsgrad dar.
  • Carnot-Faktor \(\eta_{C}\) wird groß, wenn Wärmezufuhr bei großer Temperatur und Wärmeabfuhr bei kleiner Temperatur erfolgen
  • \(\eta_{C}\)=1 nie erreichbar, da dann die untere Temperatur \(T_{min}=0 K\) sein muss, was in der Praxis nicht machbar ist.
  • Die Grenze für die untere Temperatur ist normalerweise die Umgebungstemperatur.
  • Die zugeführte Wärme kann nur zum Teil in Arbeit umgewandelt werden, der Rest geht als Abwärme an die Umgebung über.
  • Sonderfall \(T_{min}=T_{max}\) führt auf \(\eta_{C}=0\). Dies ist ohnehin ein hypothetische Fall, da ohne Temperaturgradient auch keine Wärmeübertragung stattfindet.